Wald-Route (10)

Auf in den Wald! Ein Rundgang durch den artenreichen Ittinger Wald.


Ittinger Waldrundgang
Der Ittinger Wald hat eine bewegte und gut erforschte Vergangenheit. Er vereint aufgrund der Geologie und der Lage innerhalb geringer Distanz wechselndes Mikroklima mit unterschiedlichen Pflanzengesellschaften, Feuchtgebiete mit Staunässe, exotische Baumarten sowie das erste, 1997 ausgeschiedene Totalreservat im Kanton Thurgau. Heute ist der Ittinger Wald ein wichtiger Mosaikstein in der «Landschaft von nationaler Bedeutung zwischen Thur und Rhein».
Die Publikation Führer durch den Ittinger Wald, erschienen 2005 und verfasst von August Schläfli, dem langjährigen früheren Leiter des Naturmuseums Thurgau, beschreibt diesen Wald umfassend. Aufgrund der natürlichen Veränderung eines Waldes über die Jahrzehnte bedarf der darin beschriebene Rundgang einer moderaten Überarbeitung. Wiederum in Zusammenarbeit mit dem Forstamt Thurgau entstand eine neue Broschüre - oben finden Sie sie als PDF - die gedruckte Broschüre ist kostenlos im Klosterladen erhältlich. Die Informationen aus der Broschüre finden Sie aber auch hier.

Der Waldrundgang lädt ein, auf einem zweieinhalb Kilometer langen Spaziergang an elf Standorten Wissenswertes über den Ittinger Wald zu erfahren. Zusätzliche Informationen stehen online zur Verfügung und können über QR-Codes abgerufen werden.

Für den Rundgang benötigen Sie rund eineinhalb Stunden.

Für Gruppen bieten wir auch geführte Rundgänge durch den Ittinger Wald an.
Für Anfragen: T 058 345 10 60 oder sekretariat.kunstmuseum@tg.ch

Wald_Plan


1 - Geschichte des Ittinger Waldes
Der Thurgauer Grosse Rat beschloss 1848 die Aufhebung aller Klöster im Thurgau. Als Folge wurden die Wälder des Klosters Ittingen Teil eines landwirtschaftlichen Gutsbetriebs. Die Familie Fehr bewirtschaftete diesen von 1867 bis 1977. Die Waldnutzung war, vor allem in den letzten Jahrzehnten im Besitz der Familie Fehr, extensiv. 1977 erwarb die Stiftung Kartause Ittingen die ehemalige Klosteranlage, und gleichzeitig wurde der nahe Ittinger Wald von der Staatsforstverwaltung Thurgau übernommen. Damit begann eine Zeit des intensiven Waldbaus, der sich vor allem in einer gut erkennbaren Verjüngung äusserte. Im Jahr 1997 wurde der Ittinger Wald an die Stiftung Kartause Ittingen verkauft mit der Auflage, knapp die Hälfte der Waldfläche als Reservat auszuscheiden. Von den rund 32 Hektaren Ittinger Wald sind heute 14 Hektaren Waldreservat und ungefähr zwei Hektaren Schutzwald. Die übrigen 16 Hektaren werden naturnah bewirtschaftet. Mehr dazu erfahren Sie bei Standort 2.

Perimeter Waldreservat

2 - Wald unter Schutz
Sie stehen am Rand des Waldreservats, das seit 1997 besteht. Nördlich der Waldstrasse wird der Entwicklung des Waldes, der sogenannten Sukzession, freien Lauf gelassen, und es finden keine forstlichen Eingriffe statt. In dieser Kernzone des Reservats sieht man mittlerweile die Auswirkungen des Nichteingreifens, indem einzelne stehende oder liegende Bäume (Fichten, Buchen, Eschen) am Zerfallen sind. An diesen Bäumen finden sich verschiedene Pilze. Ebenso können Kleinstlebensräume, sogenannte Mikrohabitate, für unterschiedliche Tiere und Pflanzen beobachtet werden. Südlich der Waldstrasse liegt der bewirtschaftete Teil des Reservats, das Sonderwaldreservat.

3 - Tiere im Ittinger Wald
Mäuse, Schläfer, Eichhörnchen, Igel, Fuchs, Dachs, Feldhase, Reh und Wildschwein gehören zur Säugetierfauna des Ittinger Waldes. Sie zu beobachten, erfordert Zeit, Geduld und Kenntnisse. Fussspuren im feuchten Schlamm zeugen jedoch von ihrer Anwesenheit. Im Wald der Kartause Ittingen leben ungefähr 50 Vogelarten sowie weniger auffällige Tiere wie Schnecken und Ameisen. Zusätzlich spricht das Vorkommen von sieben Fledermausarten für vielfältige und intakte Lebensräume in diesem Wald, und mit etwas Glück kann man verschiedene Schmetterlinge beobachten.

4 - Geologie rund um die Kartause Ittingen
Das Gelände ist hier geprägt durch steile offene Rutschflächen und gratartige kleine Hügel, sogenannte Kamelbuckel. Diese seltene geologische Formation gilt als Geotop von nationaler Bedeutung. Geschaffen wurde diese Landschaft während der letzten Eiszeit. Der Steilhang besteht aus «löchriger Nagelfluh», welche durch den Rheingletscher aus den Bündner Alpen herangebracht wurde. Dieser Gletscher breitete sich im offenen Bodenseeraum deltaartig zu einem breiten Vorlandgletscher bis über das heutige Schaffhausen aus. Die Hügel sind nacheiszeitliche Rutsch- und Sackungsschuppen, die sich am Steilhang ablösten. Während der letzten Eiszeit lag in diesem Gebiet eine 400 Meter mächtige Eisschicht. Beim Abschmelzen des Gletschers teilte sich das riesige Eisfeld in einzelne Zungen auf, beispielsweise in der Region Hochrhein/ Untersee, im Seebachtal und im Thurtal. Durch die langsame Freisetzung des «Ittinger Bergs» aus dem Eis und das Abschmelzen der Eisstütze am Steilhang ist es gut vorstellbar, dass der entlastete und noch vegetationslose Hang seinen Halt verlor und in Schuppen auf dem durchnässten Untergrund thurwärts absackte. Auch heute rutscht der Hang noch geringfügig. Die bewachsenen Geröllhalden unterhalb der Felsbänder nehmen die ganze Breite des Steilhangs ein. Zwischen den Schuppen konnte sich Wasser stauen, was zur Bildung feuchter Senken und kleiner Moore führte.

5 - Fremdländische Baumarten im Wald
Unter Exoten im Wald versteht man Baumarten, welche bei uns nicht oder zumindest seit der letzten Eiszeit nicht mehr heimisch sind. Im 19. Jahrhundert wurden an verschiedenen Orten in der Schweiz Bäume angepflanzt, welche ursprünglich aus Nordamerika stammen. So finden sich auch im Ittinger Wald – neben der vorherrschenden einheimischen Baumart Buche – einige Douglasien und Roteichen sowie einzelne Exemplare von Thuja und Hemmlock-Tannen. Die Douglasie stammt ursprünglich aus Oregon, die Roteiche aus dem Osten Nordamerikas. Die dicksten Bäume entlang des Weges sind Exoten. Douglasie (Pseudozuga menziesii) Die Douglasie ist ein immergrüner Nadelbaum. In Europa erreicht sie Wuchshöhen von etwa 60 Metern. Die Nadeln sind grün bis blaugrün, einzelnstehend, weich und stumpf. Sie sind drei bis vier Zentimeter lang und verströmen, wenn man sie zerreibt, einen aromatischen zitronenartigen Duft. Douglasien können mit Fichten und Tannen verwechselt werden. Im Unterschied zu Fichten sitzen die Douglasiennadeln unmittelbar auf dem Zweig auf; anders als bei Tannen ist ihre Basis aber nicht verdickt. Auch die Borke hilft bei der Unterscheidung. Beide Borken haben eine ähnliche Färbung, der Unterschied zeigt sich in der Musterung/Vertiefung. Die Douglasie hat viele lange und tiefe Riefen, und ihre Borke sitzt recht fest. Die Rinde der Tanne ist deutlich glatter und eher grau. Erst im Alter wird sie rissig. Die Borke der Fichte dagegen hat keine Riefen und ist eher in kleine runde Plättchen aufgeplatzt, wovon sich einige davon leicht mit der Hand ablösen lassen. Roteiche (Quercus rubra) Die Roteiche oder Amerikanische Eiche verdankt ihren Namen den Blättern, die sich im Herbst leuchtend orange bis rot verfärben. Mit 10 bis 25 Zentimetern sind die ansonsten dunkelgrünen Blätter relativ gross, sehr tief eingeschnitten mit vorne spitz zulaufenden Lappen. Die graue Rinde bleibt lange glatt, später bildet die Roteiche eine nicht sehr tiefrissige Borke.

6 - Buchenwälder im Ittinger Wald
Waldgesellschaften beschreiben das charakteristische Pflanzenvorkommen an einer bestimmten Stelle im Wald. Im Ittinger Wald sind beispielsweise verschiedene Buchenwaldgesellschaften vorherrschend. Wie der Name sagt, ist die Buche die Hauptbaumart. Die Borke oder Rinde der Buche ist bleigrau und ziemlich glatt. Buchenblätter sind oval mit einem Spitz und ca. fünf bis zehn Zentimeter lang, drei bis sieben Zentimeter breit, und der Blattstiel hat eine Länge von etwa eineinhalb Zentimetern. Die im Gebiet des Ittinger Waldes vorkommenden Buchenwaldgesellschaften widerspiegeln die Topografie. Der Typische Lungenkraut-Buchenwald ist da vorhanden, wo es eher flach ist, der Lungenkraut-Buchenwald mit Immenblatt an den Abhängen, und der Typische Weiss-Seggen-Buchenwald auf den kleinen Hügeln und am Abhang. Auf dem oberhalb des steilen Abhangs gelegenen Plateau kommt der Typische Waldmeister-Buchenwald am häufigsten vor. Das Waldbild des Typischen Lungenkraut-Buchenwaldes zeigt sich idealerweise als Hallen-Buchenwald mit starken, geraden Stämmen. Viele Frühjahrsblüher wie Buschwindröschen, Bingelkraut, Waldmeister, Aronstab, Zahnwurz oder Lungenkraut bilden vor dem Blattaustrieb der Buche einen dichten Teppich am Waldboden. Mit dem Blattaustrieb wird der Wald dann für viele Pflanzen zu dunkel, und sie verschwinden.
Natürlicherweise wären im Thurgau 80% der Fläche mit Buchenwaldgesellschaften bedeckt. Mit der Förderung anderer Baumarten wie Fichte, Weisstanne, Föhre und Eiche wurde die Buche über Jahrhunderte zurückgedrängt, und so wachsen auf typischen Buchenwaldstandorten auch Fichten oder andere Baumarten.

7 - Waldränder und Ökologie
Mit Blick nach Westen sieht man linker Hand einen Waldrand. Waldränder bilden ökologisch wertvolle Übergänge zwischen Offenland und Wald. Der Mensch begann Wälder zu roden, um Holz als Bau-, Werk-, und Brennholz zu gewinnen und um Äcker und Weiden anzulegen. Beim Roden entstand eine Kulturlandschaft mit Kompartimenten zwischen Wald und Offenland. Sie bekamen durch den Einfluss des Menschen scharfe Ränder, die uns aus der heutigen Kulturlandschaft vertraut sind und unsere Vorstellung von Waldrändern bestimmen. Waldränder in unserer Gegend können trotzdem unterschiedlich geformt und strukturiert sein und sind meistens das Resultat einer Bewirtschaftung durch Menschen. In der Regel sind sie aus einem Krautsaum, einem Strauchgürtel und einem Waldmantel aufgebaut. Diese Waldrandelemente können auch mosaikartig durchmischt sein.

8 - Biotop auf dem Ittinger Plateau
Im Frühling und nach ausgiebigen Regenfällen bilden sich in den flachen Geländemulden südlich des Weges Wassertümpel. Das Wasser hält sich nicht allzu lange, aber die an diesem Standort vorkommende Waldgesellschaft mit etlichen feuchtigkeitszeigenden Arten wie Schwarzerle, Hagebuche, Wald-Ziest, Scharbockskraut, Lockerährige Segge, Riesen-Schwingel, Binsen, Farne u.a. lässt diesen Ort auch im Sommer deutlich aus dem umgebenden Waldmeister-Buchenwald heraustreten. Die bemoosten Stämmchen zeigen an der Basis die ungefähre Wasserhöhe an. Diese Tümpel auf staunassen Böden bilden ein wertvolles Biotop für verschiedene seltene, teils geschützte Tiere wie zum Beispiel Libellen.

9 - Holzschlag im Ittinger Wald
Im Nutzwald der Kartause Ittingen wird regelmässig Holz für den Eigengebrauch geschlagen. Die Pflege des Waldes orientiert sich an den Regeln für einen naturgemässen und standortangepassten Waldbau. Dabei werden unterschiedliche Bewirtschaftungsverfahren angewendet. Zwischen 2018 und 2022 wütete der Borkenkäfer auch im Ittinger Wald. Fast alle Fichten mit einem Durchmesser von 21 bis 35 Zentimetern wurden befallen und mussten gefällt werden. Diese Bestände wurden mit an den Standort angepassten Baumarten wiederbewaldet. Dabei wurden in der Nähe Eicheln gesammelt und in den entstandenen Lichtungen ausgebracht. Wo keine Naturverjüngung zu erwarten war, wurden verschiedene Bäume gepflanzt.

10 - Eiche, Baumart der Zukunft?
Mit Blick Richtung Süden erkennt man einen einzelnen dickeren Baum mit grober Borke, eine Eiche. Diese Baumart ist von Natur aus nicht sehr häufig, weil sie in der Konkurrenz um das Licht der Buche oder der Esche unterlegen ist. Die Eiche ist eine ausgesprochene Lichtbaumart und liebt das milde und sommerwarme Klima der Tieflagen (Weinbau- und Obstbauklima). Sie gilt allgemein als robust. In der Jugend ist sie, insbesondere in belaubtem Zustand, schneedruckgefährdet (Nassschnee) und leidet unter Spätfrösten. Als wärmeliebende Baumart und wegen ihrer Robustheit gegenüber Trockenheit wird der Eiche bei der erwarteten Klimaveränderung viel zugetraut. Allerdings wird sie gerne vom Rehwild verbissen. Will man Eichen erfolgreich verjüngen, müssen die Pflanzen entsprechend geschützt werden.

11 - Wald schützt die Kartause Ittingen
Innerhalb der blau schraffierten Fläche gelten besondere Bewirtschaftungsgrundsätze. Das ehemalige Kloster befindet sich genau unterhalb des Tobels, in dessen Talsohle ein kleiner Bach verläuft. Bei Starkregen schwillt der Bach an. Deshalb ist dieser Bereich des Ittinger Waldes als Schutzwald ausgewiesen. Schutzwälder werden nach anderen Kriterien bewirtschaftet als der normale Wirtschaftswald. Oberste Priorität hat die Stabilität des Waldes, sodass er seine Schutzfunktion wahrnehmen kann. Gefragt ist also ein Wald, der eine kontinuierliche Stabilität aufweist. Erreicht wurde dies, indem seit den 2000er-Jahren Eiben gefördert werden, die aus Naturverjüngung herangewachsen sind. Im Hang oberhalb der Klostermauer werden Feldahorn, Nussbäume und Eiben speziell gefördert.



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